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Beitrag vom 10.12.2013
Women Edit - das bundesweite Pilotprojekt will Frauen zum Mitmachen ermuntern
Philippa Schindler
"Wissen ist Macht! Macht mit!" Laut Umfragen liegt der Anteil der Autorinnen bei Wikipedia bei gerade einmal 9 Prozent. Offene Netzwerktreffen, Editierparties und Edit-a-thons sollen dies nun ändern.
Es ist ein turbulentes Fahrwasser, in das das Online-Nachschlagewerk Wikipedia seit seiner Gründung im Jahr 2001 geraten ist. Mit rund 500 Millionen NutzerInnen im Monat steht es auf Platz 5 der am häufigsten besuchten Webseiten der Welt. Doch eine schwindende AutorInnenschaft und ein erschreckend niedriger Frauenanteil drücken die Qualität der dort eingestellten Artikel. Die deutschsprachige Ausgabe der Wikipedia ist im internationalen Vergleich am stärksten von dem kontinuierlich rückläufigen Engagement betroffen.
Auf der diesjährigen Konferenz "WikiCon 2013" in Karlsruhe wurden mögliche Gründe für diese Entwicklungen debattiert. 300 TeilnehmerInnen waren Ende November dort zusammengekommen, um gemeinsam die Zukunft von Wikimedia zu überdenken. Nun soll ein strafferes Regelwerk für Diskussionen und die gezielte Motivation von Frauen das Angebot des Internet-Lexikons verbessern.
Gender Gap – nicht erst seit gestern
US-amerikanische Studien hatten bereits "2010" und "2011" auf die niedrige Frauenquote bei Wikipedia hingewiesen. Der Anteil weiblicher Autorinnen war damals sogar von 13 auf 9 Prozent gesunken. Sue Gardner, Geschäftsführerin der "Wikimedia Foundation", sprach im Anschluss an diese Zahlen von einem Qualitäts-, nicht aber von einem Diversity-Problem. Nach Ansicht Gardners mache sich die Unterrepräsentation von Autorinnen vor allem bei der mangelnden Ausgestaltung von typischen "Frauenthemen" bemerkbar - der Wikipedia-Artikel zur TV-Serie "Sex And The City" sei beispielsweise wesentlich kürzer als der über die Mafia-Serie "Die Sopranos".
Dass Sue Gardners ehrgeiziges Ziel, den Anteil an Wikipedianerinnen auf 25 Prozent anzuheben, bislang nicht geglückt ist, zeigen nun die aktuellen Umfragen unter deutschsprachigen NutzerInnen. Von 6.000 aktiven AutorInnen sind gerade einmal 540 weiblich.
Raue Sitten und offener Sexismus
Weitgehend einig waren sich die TeilnehmerInnen der WikiCon 2013 über die Gründe für das abflauende Engagement. Demnach sei vor allem die oft abschreckende Diskussionskultur unter den Wikipedia-AutorInnen für die negative Entwicklung verantwortlich. Hierarchiegerangel und "Platzhirschgehabe" geben in den Foren des Online-Lexikons den Ton an, einigen Aktiven sei das mit der Zeit schlichtweg zu viel geworden.
Allzu häufig schlagen diese rauen Sitten jedoch auch in offenen Sexismus um - davon wissen vor allem jene Autorinnen der Wikipedia zu berichten, die sich in die von Männern dominierten Themenbereiche vorgewagt haben. In der Vergangenheit haben sich viele Frauen von diesen misogynen Beleidigungen vertreiben lassen. Das Internet-Nachschlagewerk steht nun vor der Herausforderung, diese teilweise sexistischen Strukturen unter den WikipedianerInnen aufzubrechen und so zu gestalten, dass sie für Frauen leichter zugänglich werden.
"Women Edit – Mitmachangebote für Frauen"
An diesem Vorhaben arbeitet auch die Berliner Journalistin und Medienpädagogin Silvia Stienecker. Sie betreut die regelmäßigen Netzwerktreffen im "FrauenComputerZentrum" (FCZB) in Kreuzberg – zwei Mal im Monat treffen sich dort netzaffine Frauen, die Spaß am Schreiben und Editieren von Wikipedia-Artikeln haben. "Die Technik ist keine große Hürde für Frauen, sie kommen damit klar", sagt Stienecker und plädiert für eine offene Arbeitsatmosphäre, in der auch Frusterlebnisse besprochen werden können.
Unter dem Titel "Women edit" möchte Stienecker nun gemeinsam mit Wikipedia Deutschland eine bundesweite Gruppe von "WikiWomen" aufbauen. Als Veranstalterinnen von offenen Treffen, Editier-Parties und Edit-a-thons sollen sie zum Mitmachen motivieren und die interessierten Frauen bei ihren ersten Schritten in der Wikimedia-Welt begleiten.
Das offene Netzwerktreffen im FCZB feierte im November diesen Jahres seinen ersten Geburtstag. So lange schon wird in der Cuvrystraße 1 in Berlin-Kreuzberg an jedem zweiten Mittwoch im Monat von 18 bis 21 Uhr editiert. Neueinsteigerinnen sind herzlich Willkommen!
Quellen und weitere Informationen:
www.fczb.de
Artikel in der taz vom 02.02.2011: "Frauenquote bei Wikipedia: Wissen für alle, aber nur von Männern".
Artikel auf heise online vom 25.11.2013: "Die Wikipedia und die Autoren: Die Online-Enzyklopädie soll attraktiver werden".